110 Jahre Evangelischer Posaunenchor Eschwege
Kurzer geschichtlicher Rückblick zum 110-jährigen Jubiläum am 23. August 2002


“Mit Eifer hat er sich stets auch für die Arbeit unseres Posaunenchors eingesetzt." Wie gut, dass das so war. Denn hinter diesem so kurzen Satz steht ein großer Teil des Lebenswerkes eines Mannes, der am Anfang der 110jährigen Geschichte unseres Eschweger Posaunenchors stand.

,,Mit Eifer hat er sich stets auch für die Arbeit unseres Posaunenchors eingesetzt." So war am 28. April 1934 in einer Traueranzeige für Pfarrer Friedrich Arnold zu lesen, die der Christliche Verein junger Männer im Eschweger Tageblatt veröffentlicht hatte. Bis zu seinem Tod als aktiver Pfarrer im Alter von 70 Jahren hatte Arnold seinen Dienst als Pfarrer in der Neustädter Gemeinde versehen.

Pfr. Arnold

110 Jahre Evangelischer Posaunenchor Eschwege. Am Beginn stand Friedrich Arnold. Ich habe in den Sommerwochen versucht, in der Chronik des CVJM und der Neustädter Kirchengemeinde aber auch in Gesprächen mit früheren Bläsern einige Spuren aus diesen 110 Jahren zu entdecken.

Friedrich Arnold hatte 1888 als 25jähriger seinen pfarramtlichen Dienst in Eschwege begonnen. Es war die große Zeit der kirchlichen Vereine. Überall im Land wurden sie gegründet. Sie waren eine Antwort der Kirche auf Veränderungen, die sich damals in der Gesellschaft vollzogen und manche Menschen in Not gebracht hatten. Bereits in den ersten Jahren seines Dienstes entwickelte Arnold als junger, dynamischer Pfarrer große Aktivitäten. So wurden auf seine Initiative hin in Eschwege Gruppen und Kreise gegründet. Manche trugen uns heute seltsam anmutenden Namen. So gab es zum Beispiel den Missionsnähverein oder den Jungfrauenverein. Andere bestehen bis heute oder haben Spuren hinterlassen: Landeskirchliche Gemeinschaft, Neustädter Kirchenchor, Bibelstunde. Bereits 2 Jahre nach seinem Dienstantritt im Jahr 1890 hatte er auch den Jünglingsverein gegründet, der später in CVJM umbenannt wurde. Alle diese Vereine trafen sich im sogenannten kirchlichen Vereinshaus in der Boyneburger Straße, dem späteren Eschweger Gemeindehaus, das Anfang der 7o Jahre verkauft wurde.

In der Kirchengeschichte Eschweges nimmt Friedrich Arnold also einen besonderen Platz
ein.

Und nun kommen wir zu unserem Posaunenchor, dessen Jubiläum wir heute feiern. Zwei Jahre nach der Gründung des eben erwähnten Eschweger Jünglingsvereins, also im Jahr 1892, wird in der Statistik für den Dachverband, dem Westdeutschen Jünglingsbund, der Posaunenchor erstmals erwähnt.

Heute ist es wie es damals war: Für besondere Projekte muss man in der Kirche sammeln, weil das Geld für Besonderes immer knapp ist. Arnold schreibt in der Statistik: ,,Seit August des Jahres 55 Mark gesammelt für Posaunen." Damit war der Posaunenchor gegründet, der von nun an in der jährlichen Statistik als eine Abteilung des Vereins auftaucht. Unser Eschweger Posaunenchor gehört somit in die Reihe der ältesten heute noch aktiven Posaunenchöre in Deutschland. Arnold schloss sich mit der Gründung unseres Posaunenchors einer besonderen Bewegung an. Diese ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom berühmten ,,Posaunenpastor" Johannes Kuhlo aus Jöllenbeck in Ostwestfalen aus. Auf Kuhlos Initiative hin wurden überall in Deutschland Posaunenchöre gegründet. Über diese Bewegung könnte noch vieles gesagt werden. Aber das führt in unserem heutigen Rahmen zu weit. Aufgabe der Posaunenchöre sollte es sein, die Verkündigung des Evangeliums mit Blasinstrumenten in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei kamen natürlich nicht nur Posaunen zum Einsatz, sondern darüber hinaus auch Hörner, Trompeten, Tuben, gelegentlich auch Trommeln.

Damals war es üblich, dass die Jünglingsvereine ­ so auch in Eschwege - verschiedene
Abteilungen hatten, in denen die jungen Männer in christlichem Geist sinnvoll ihre Freizeit gestalten konnten. Darunter gab es für uns heute so seltsam anmutende Abteilungen, wie den ,,Unterstützungsverein Bruderliebe", eine ,,Sektion vom christlichen Soldatenbund", einen ,,Gesangchor", die ,,Turnabteilung" oder eben auch den ,,Posaunenchor". Von da an taucht er regelmäßig in den Programmen der Jahresfeste des Ev. Jünglingsvereins auf mit Musikstücken, die dem damaligen Zeitgeschmack entsprachen. Im Jahr 1900 wird in einer Vereinszeitung erwähnt, dass der Posaunenchor bereits 15 Mitglieder habe. Die Instrumente und Musikalien hätten einen Wert von 500 Mark ­ für die damalige Zeit sicher eine hohe Summe. Die Posaunenchorbewegung war immer vor allem Laienbewegung in der Kirche. So lag in den ersten Jahren die Leitung des Chores in den Händen von Bäckermeister Hüther. Nachdem der Chor in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg auf etwa 20 Mitglieder angewachsen wurde unter der Leitung von Kanzleisekretär Theodor Heckmann aus dem Höhenweg musiziert.


Die Nazizeit bedeutete für den Posaunenchor wie für viele andere christliche Verbände einen Einbruch. Der CVJM wurde gleichgeschaltet und der Posaunenchor hatte nur noch etwa 6 Mitglieder. Er wurde in den 30er Jahren von dem Neustädter Pfarrer Friedrich Wintzer geleitet. Während des Krieges musste der Posaunchor zeitweise mit den Übungsstunden aussetzen. Aber sofort nach dem Zusammenbruch rief Wintzer dann Ehemalige zusammen. Wie sich einige Ehemalige von damals ­ einige sind heute hier erinnern, war der erste Auftritt am Reformationsfest 1945 im Gottesdienst. Horst Zeuch als Sohn des CVJM-Sekretärs sowie die Pfarrer Hochhuth, Wintzer und der Prediger der landeskirchlichen Gemeinschaft Ritzkowsky bildeten mit ihren Söhnen den Grundstock des Chores. Außerdem gehörten noch andere Jugendliche und Erwachsene dazu, von denen einige heute vielleicht anwesend sind. (melden lassen) Mädchen und Frauen waren in jenen Jahren in einem Posaunenchor noch nicht vorstellbar. Die Jungbläser von damals erinnern sich, dass Herr Grebenstein, ein alter Mann aus dem früheren Chor, die Jungen angeleitet habe. Beliebter und ungestörter Übungsplatz für die Jungen war, wie Martin Hochhuth sich erinnert, das Gartenhaus hinter Pfarrhaus 1 der Altstadt - heute AOK. Dort machten sie ihre ersten Versuche auf den Blasinstrumenten. Herr Horst Zeuch erinnert sich, wie die Jungbläser kurz nach dem Krieg zu Fuß nach Schwebda gingen und nicht davor zurückschreckten, von dort Instrumente eines aufgelösten Posaunenchors, darunter auch sehr schwere, zu Fuß nach Eschwege zu tragen. Da kann man das Ausmaß der Begeisterung für das Blasen ermessen.

Bis 1969 taucht dann der Posaunenchor mit verschiedenen Chorleitern regelmäßig in den Monatsprogrammen des CVJM auf. Ende 1969 - nach dem Weggang des Jugenddiakons Hubmann, der den Posaunenchor bis dahin geleitet hatte, - musste er allerdings vorübergehend seine Arbeit einstellen. Es war dann Pfarrer Friedhelm Rode von der Marktkirche, der zeitweise auch Vorsitzenderdes CVJM war, der den Posaunenchor mit Hilfe der alten im CVJM verbliebenen Instrumente und Noten Anfang der 70er wieder ins Leben rief. Jetzt war er aber nicht mehr eine Abteilung des CVJM sondern der Posaunenchor im Gesamtverband der Ev. Kirchengemeinden in Eschwege. Das einzige Mitglied des heutigen Posaunenchors, das auch schon damals dabei war, ist Dr. Friedbert Ruff. Obwohl ohne festen Leiter gesellten sich in den 7oer Jahren bald neue Bläser und nun auch Bläserinnen hinzu.
Nach seinem Dienstantritt in Eschwege im Jahr 1977 bis zu seinem Ausscheiden in 1991
leitete dann Bezirkskantor Siegfried Neuber den Posaunenchor. Wieder folgte eine Zeit ohne festen Chorleiter, in der sich aber auch wie schon in den Jahren zuvor Dr. Friedbert Ruff um die Aufrechterhaltung der Probenstunden und die Ausbildung von Jungbläsern sehr verdient gemacht hat. Das war nicht einfach, lieber Friedbert, denn der Chor bestand zeitweise nur aus sehr wenigen Mitgliedern.

Eine wunderbare Zeit, geradezu ein Aufbruch für uns alle kam, als 1996 Kirchenmusikdirektor Friedrich Hönsch aus Eisenach, der die halbe Bezirkskantorenstelle übernommen hatte, unseren Chor bis zu seinem Tod im Jahr 2000 leitete. Er hat uns auf unvergleichliche Art und Weise mit Freude und Disziplin Verständnis für und Freude am Blasen vermittelt. Diejenigen, die schon zu seiner Zeit Mitglied im Chor waren, werden diese Zeit nie vergessen. Sein tiefer Glaube, sein hohes musikalisches Können und Wissen, gerade auch im Bereich der Posaunchorarbeit, haben uns sehr geprägt. Seine freundliche und menschliche Art haben die gute Gemeinschaft in unserem Chor, das Verständnis zwischen älteren und jungen Mitgliedern wachsen lassen. Auch das Bewusstsein für den Auftrag des Posaunchores im Dienste der Verkündigung hat er immer mit allen Kräften gefördert. Unser Jubliläumsfest war auch schon mit Herrn Hönsch zusammen ins Auge gefasst worden. Ich denke diejenigen von uns, die ihn als Leiter unseres Posaunenchors erlebt haben, sind immer noch im Gedenken an ihn traurig.

Wir hatten auch Frau Hönsch eingeladen. Da aber gestern ihre Schwiegermutter gestorben ist, musste sie leider gestern Abend noch absagen. Wir bedauern das sehr.

Nach dem Tod von Herrn Hönsch hat Jürgen Schuppner, einer unserer Mitbläser, mit großem Engagement vorübergehend in unseren Chor die Leitung übernommen. Wir hoffen und wünschen uns, dass er diese Aufgabe, die er im Geist von Herrn Hönsch übernommen und engagiert ausgeübt hat, auch weiterführen wird, bis wir einen neuen Chorleiter gefunden haben. Herzlichen Dank, lieber Jürgen.

Kirchliche Posaunenchöre sind heute durch einen Dachverband, bei uns dem Posaunenwerk der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck untereinander verbunden. Wir freuen uns , dass heute LPW Andreas Spuck unter uns ist und bei einigen Stücken auch dirigiert. Wir haben mit ihm im April ein Übungswochenende im Harz verbracht, das uns sehr viel Freude gemacht hat.

Nach 110 Jahren ist, so glaube ich, unser Eschweger Posaunenchor ­ wie viele andere
Posaunenchöre - aus dem kirchlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Denn für einen Posaunenchor ergibt sich ein breites Betätigungsfeld. Neben Einsätzen in Altenheimen und Krankenhäusern, Konzerten, Kurrendeblasen, Serenaden, stellt der Einsatz im Gottesdienst in Kirchen und im Grünen eine zentrale und bleibende Aufgabe dar. Über 100.000 Menschen spielen heute in Deutschland in einem Posaunenchor. Die Posaunenchöre zählen damit zu den größten Laienbewegungen in der evangelischen Kirche. Weil der Klang der Instrumente bei vielen Menschen der Schlüssel zur frohen Botschaft sein kann, wollen auch Posaunenchöre einen Beitrag zur Verkündigung des Evangeliums leisten, so wie es im 150. Psalm heißt:

“Halleluja! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen!”
Oder im 98. Psalm:

“Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König!”


(Heinrich Mihr)